Am 01.06.23 erreichte die Bürgerschaft die Meldung, dass die städtische Wohnungsgesellschaft (WH) beabsichtigt zwei Wohnblöcke im WK I abzureißen: Den Block Brigitte-Reimann-Straße 2-8 und Günter-Peters-Straße 1-7. Aus wirtschaftlichen Erwägungen (zu hohe Betriebskosten) seien die „Blöcke vom Netz zu nehmen“.
Der baugeschichtliche „Heilige Gral“ der NeustadtDie Wohnkomplexe (WK) I-III sind der baugeschichtliche „Heilige Gral“ der Neustadt, das lebendige Zeugnis einer einstigen, 90 Jahre alten, städtebaulichen Vision - der Charta von Athen (1933) - die als architektonisches Original vermutlich nur noch in Brasilia zu finden ist.
Das Dilemma der städtischen WohnungsgesellschaftDie Bürgerinitiative „Mitmachstadt Hoyerswerda“ (MiMaH) nimmt darüber (ähnlich wie beim Bauprojekt „Neue Kühnichter Heide“) erneut Unmut und Unverständnis in der Bürgerschaft von Hoyerswerda wahr. Zugleich maßt sich die MiMaH nicht an, zu bewerten, was hier richtig und was falsch ist. Klar ist, hier liegt ein waschechtes Dilemma vor: Nimmt man die „Blöcke vom Netz“ setzt man ein weiteres explosives Torpedo in die historische Urzelle der Neustadt. Nimmt man sie nicht vom Netz riskiert man eine schwer zu legitimierende ökonomische Überlastung des Haushaltes der städtischen Wohnungsgesellschaft. Beide Positionen haben Gleichberechtigung.
Warum keine Bürgerbeteiligung bei Abrissvorhaben?Was wir als Bürgerinitiative jedoch erneut beobachten dürfen: Ähnlich wie beim Bauprojekt „Neue Kühnichter Heide“ zeigt sich ein Mangel in der Transparenz und Kommunikation gegenüber der Bürgerschaft.
Wir fragen: Ist es wirklich angemessen die Bürger nur mit einem RESULTAT zu konfrontieren, das in einem „kleinen Kreis“ von Verantwortlichen (Geschäftsführung und Aufsichtsrat) beschlossen wurde? Ist die Information auf einer Mieterversammlung darüber eine ausreichende Form von Bürgerbeteiligung?
Wir fragen: Was veranlasste Geschäftsführung und Aufsichtsrat der Wohnungsgesellschaft, die Bürgerschaft nicht in diesen schmerzhaften städtebaulichen Abwägungsprozess einzubinden? Was bewog sie anzunehmen, der Abriss zweier Blöcke im WK I sei kein relevanter städtebaulicher Eingriff, der mit der Bürgerschaft kooperativ abzustimmen ist?
Wir fragen: Was hielt Geschäftsführung und Aufsichtsrat davon ab, die kommunale „Schwarm-Intelligenz“ der Bürgerschaft zu aktivieren, um kooperativ an einer Lösung zu arbeiten? Was brachte sie dazu, keinerlei Rücksicht zu nehmen auf das städtebaulichen Entwicklungskonzept (SEKO) 2016/17, das in solchen Fällen eine frühzeitige kooperative Bürgerbeteiligung anmahnt.
Und wir fragen schließlich: Macht es nicht Sinn, diese (emotional) gravierende städtebauliche Maßnahme in den gerade begonnenen Prozess des Gesamtstädtischen und regionalen Entwicklungs- und Handlungs-Konzept (GeREHK) zu integrieren, der eine fachlich begleitete sowie kooperative Bürgerbeteiligung garantiert?
Bitte um Moratorium (Aufschub)Angesichts dieser erneuten „Panne“, reale Bürgerbeteiligung zu ermöglichen, bitten wir die Stadtpolitik ein Moratorium (Aufschub) dieses Vorhabens zu erwägen. Erst nach dem bürgerbeteiligten GeREHK-Prozess sollte dazu eine finale Entscheidung getroffen werden. Einen besonderen Appell möchten wir an den Oberbürgermeister richten: Bitte verhindern Sie, dass die Bürgerschaft - in Fällen städtebaulicher Bedeutung - nur mir Resultaten konfrontiert wird. Mit dem Projekt „Kühnichter Spange“, mit dem Kommunalen Entwicklungsbeirat (KEB) „Grüner Saum“ und dem „Zentrenbeirat“ ermöglichten Sie bereits vorbildhaft eine wirkliche Bürgerbeteiligung. Wir bitten Sie, diese Politik fortzusetzen.
Gezeichnet: Orga-Team der Bürgerinitiative Mitmachstadt Hoyerswerda (MiMaH)
Im Zuge der Diskussionen um das neue Bauprojekt "Neue Kühnichter Heide" im ehemaligen WK9 veröffentlichte die Bürgerinitiative am 8. Mai einen Offenen Brief.
Der Auslöser des Offenen BriefsTrotz ausgesprochen positiver Erfahrungen der MiMaH mit der Stadtverwaltung und zahlreichen Stadträten erleben wir gerade eine wachsende Irritation: Auslöser ist der Umgang der Stadtpolitik (Stadtrat und Stadtverwaltung) mit dem Bauprojekt „Neue Kühnichter Heide“.
Vorweg: Es geht der Bürgerinitiative mit diesem Schreiben nicht darum für oder gegen das Projekt zu votieren, sondern darum, dass die Stadtpolitik eine breitere Bürgerbeteiligung bei der Entscheidungsfindung über die Bebauung ermöglicht.
Formale und wirkliche BürgerbeteiligungWir stellen nicht in Zweifel, dass die gesetzliche Pflicht zur Bürgerbeteiligung formal erfüllt ist. Im Sinne einer realendemokratischen Einflussnahme der Bürger auf höchst stadtrelevante Vorgänge, scheint uns dies jedoch in diesem Fall nicht ausreichend. Reale Bürgerbeteiligung zeichnet sich durch mehrere Stufen wachsender Einflussnahme aus: 1) Information, 2) Konsultation, 3) Kooperation, 4) Einbeziehung, 5) Ermächtigung. Wir wünschen uns mehr Einflussnahme: Kooperation und Einbeziehung.
Vier Verstöße gegen einen Stadtratsbeschluss
Ausgangspunkt unserer Argumentation sind erstens zahlreiche Stimmen in der Stadtgesellschaft, die das Bauprojekt scharf kritisieren. Zweitens liegen u.E. tatsächlich eklatante Verstöße zu den Empfehlungen des Städtebaulichen Entwicklungskonzeptes (SEKo) 2016/17 vor. Das SEKo wurde auf der Grundlage einer bürgerbeteiligten Stadtwerkstatt von der DSK Deutsche Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft moderiert, erstellt und schließlich vom Stadtrat am 27.02.18 als bindendes Dokument anerkannt. Abweichungen von einem solch bedeutsamen Konsens-Dokument bedürfen eines breiten, öffentlichen Diskurses und einer neuen Konsensbildung in der Bürgerschaft. Wir entdecken vier „Verstöße“ der Stadtpolitik, die im Widerspruch zum SEKo stehen:
1) Es wird keine Neubebauung des WK IX empfohlen: „Die Stadtfigur wird langfristig auf eine Zentralstadt ausgerichtet, welche in ihrem Inneren bandartig die Kernbereiche der Altstadt und der Neustadt erfasst. Ziel ist eine attraktive, funktional reichhaltige Stadt, die für die Bewohner leistbar ist. Mit dem Szenario 2025 und dem von allen Beteiligten getragenem Rückbauprinzip von Außen nach Innen sollen langfristig die Wohnungsstandorte der äußeren Neustadt (WK 8, WK 9 und WK 10) weitestgehend aufgegeben werden. In den Wohnkomplexen WK 4,WK 5e, WK 6 und WK 7 sollen sich mit großflächigen Rückbauten von Wohngebäuden die Ränder zum Stadtinneren verschieben." (siehe SEKo, S. 52)
2) Es wird der Schutz, die Qualifizierung und die Aufwertung vorhandener städtischer Service-Strukturen und öffentlicher Räume empfohlen (siehe SEKo, S. 43, 50, 54ff).
3) Bezüglich zu tätigender Investitionen und den Umgang mit externen Investoren heißt es:„Einzelinteressen dürfen nicht den Erfolg des weiteren Stadtumbauprozesses gefährden - ein nachhaltiger Erfolg bei der Anpassung der Neustadt an die künftige Nachfrage und Sicherung als attraktiven Wohnstandort kann nur im „Ganzen“ und durch Kooperation aller Akteure erreicht werden.“ (siehe S. 54)
4) Das SEKo empfiehlt ausdrücklich eine inhaltlich breite Bürgerbeteiligung in Form von kooperativen Verfahren (z.B. Werkstätten). (siehe SEKo, S. 55 ff).
Bitte um öffentliche StadtwerkstattWir bitten auf Grundlage der o.g. Argumente, den Entscheidungsprozess aus dem „geschlossenen“ Kreis von Stadtrat und Stadtverwaltung herauszuholen und eine öffentliche Stadtwerkstatt einzuberufen, auf der die Argumente des Pro und Kontra der Bebauung sachlich-fundiert und wertschätzend abgewogen und besprochen werden.
Gezeichnet
Orga-Team der Initiative Mitmachstadt Hoyerswerda (MiMaH): Marita Gatzlaff, Franziska Hauptmann, Denise Köckritz, Dagmar Steuer, Olaf Winkler, Toni Züchner